Gebrauchswert

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Anbei ein paar historische Ausführungen zum Gebrauchswert

350 vuZ von Aristoteles

„Denn zweifach ist der Gebrauch jedes Guts. – Der eine ist dem Ding als solchem eigen, der andre nicht, wie einer Sandale, zur Beschuhung zu dienen und austauschbar zu sein. Beides sind Gebrauchswerte der Sandale, denn auch wer die Sandale mit dem ihm Mangelnden, z.B. der Nahrung austauscht, benutzt die Sandale als Sandale. Aber nicht in ihrer natürlichen Gebrauchsweise. Denn sie ist nicht da des Austausches wegen.“ Aristoteles: De Rep., l. I, c. 9, zit in KM1, S.100, Fn 39

Kommentar: Ja, ein und derselbe Gegenstand hat viele Gebrauchswerte, er kann die Fähigkeit haben, viele Bedürfnisse zu befriedigen. Die Sandale kann für den Eigentümer, wir nennen ihn mal Schuster, sowohl das Bedürfnis nach Beschuhung befriedigen (gSandale, Schuster, Beschuhung = 1), als auch das Bedürfnis, als Tauschgegenstand zu dienen: gSandale, Schuster, Tauschgegenstand = 1. Ist der Hunger aber größer als das Bedürfnis nach einer Beschuhung, dann müssen wir konsequenter Weise gSandale, Schuster, Beschuhung = 0 setzen, damit er die Sandale als Tauschgegenstand benutzen kann. Ein Austausch findet im Allgemeinen nur statt, wenn die Sandale für den Schuster keinen Gebrauchswert als Beschuhung hat. Andererseits muß die Sandale aber einen Gebrauchswert als Beschuhung für denjenigen haben, der sie gegen eine Lammhaxe eintauschen will: gSandale, Fleischer, Beschuhung = 1. Aristoteles hat also leider die Vielzahl und Individualität der Gebrauchswertes nicht erkannt, ahnt aber bereits etwas von den Tauschbedingungen Gebrauchswertdifferenz und Gebrauchswertinversion. Wir gehen später noch näher darauf ein. Im Allgemeinen ist die Sandale zur Benutzung als Schuh da. Produziert der Schuster aber von vornherein Schuhe, um sie gegen Lammhaxe, Brot und Bier einzutauschen, dann ist das für ihn die wirtschaftliche Gebrauchsweise seiner Sandalen.
siehe auch 500 vuZ Sandalenherstellung in Athen

1691 von John Locke

„Der natürliche worth jedes Dinges besteht in seiner Eignung, die notwendigen Bedürfnisse zu befriedigen.“ J Locke: Some considerations, 1691, zitiert in KM1, S. 50, Fn 4

Kommentar:  Übersetze worth mit Gebrauchswert, schon stimmt die Aussage.

1696 von Nicholas Barbon

„Verlangen schließt Bedürfnis ein; es ist der Appetit des Geistes, und so natürlich wie Hunger für den Körper … die meisten Dinge haben ihren Wert daher, daß sie Bedürfnisse des Geistes befriedigen.“ Nicholas Barbon: Discourse on coining the new money lighter. In answer to Mr. Locke’s Considerations etc., London 1696, p. 2, 3. Zitiert in KM1, S. 49, Fn 2

Kommentar: Ich sehe es anders herum. Ein Bedürfnis weckt das Verlangen nach etwas. Der Hunger weckt das Verlangen nach etwas zu essen. Natürlich gibt es Dinge, welche geistige Bedürfnisse befriedigen. Die Mehrzahl der Waren befriedigen aber eher die Grundbedürfnisse aus der Bedürfnispyramide.

„Dinge haben einen ´intrinsick vertue´ (dies bei Barbon die spezifische Bezeichnung für Gebrauchswert), der überall gleich ist, so wie der des Magnets, Eisen anzuziehen (l.c.p. 6). Die Eigenschaft des Magnets, Eisen anzuziehen, wurde erst nützlich, sobald man vermittelst derselben die magnetische Polarität entdeckt hatte.“ Barbon, l.c.p. 6. zitiert in KM1, S. 49, Fn 3

Kommentar: Der Gebrauchswert ist eben nicht überall gleich, wie es sich Barbon im zweiten Satz selber eingesteht. Der erste und der zweite Satz stehen bei genauer Betrachtung zueinander im Widerspruch.

1844 von Friedrich Engels

„Die Brauchbarkeit einer Sache ist etwas rein Subjektives.“ Say, zit in FE: Umrisse

richtig (siehe Definition)

„Nach dieser Theorie müßten notwendige Bedürfnisse mehr Wert besitzen als Luxusartikel.“ FE: Umrisse

falsch. Engels verwechselt Gebrauchswert mit Produktwert.

„Die nächste Anwendung des Wertes ist die Entscheidung darüber, ob eine Sache überhaupt produziert werden soll, d.h., ob die Brauchbarkeit die Produktionskosten aufwiegt.“ FE in Umrisse

wieder falsch. Die Brauchbarkeit (oder der Gebrauchswert) ist eine Größe. Produktionskosten sind im allgemeinen reale Mengen (Geldmengen). Beide Kategorien sind überhaupt nicht miteinander vergleichbar.

„Wer soll über die Brauchbarkeit einer Sache entscheiden? Die bloße Meinung der Beteiligten? So wird jedenfalls EINER betrogen.“ FE in Umrisse

wieder falsch! Wir halten daran fest: der Wert des Gebrauchswertes ist eine rein subjektive Größe. Der Austausch wiederum findet nur bei Gebrauchswertdifferenz und -Inversion statt. Es wird also keiner betrogen.

1859 von Karl Marx in Kritik der Politischen Ökonomie

„Ihrer natürlichen Eigentümlichkeit gemäß besitzen verschiedene Gebrauchswerte verschiedene Maße, z.B. Scheffel Weizen, Buch Papier, Elle Leinwand usw.“ S. 15

Kommentar: Marx gebraucht ein und das Selbe Wort Gebrauchswert für die Bezeichnung völlig verschiedener Kategorien: einmal zur Bezeichnung von Gegenständen mit Gebrauchswert und einmal als Größe, weil nur Größen Maßeinheiten haben. Die aufgeführten ´Maße´ (Scheffel Weizen, Elle Leinwand) sind aber Mengenangaben und keine Größeneinheiten. Ein Scheffel ist eine Volumeneinheit, in Verbindung mit einer Stoffbezeichnung wird es aber zur Mengenangabe. Eine Elle ist eine Längeneinheit, in Verbindung mit einer Stoffbezeichnung wird es zu einer Mengenangabe. Marx unterscheidet also nicht zwischen realer Menge (Scheffel Weizen) und der Größe Gebrauchswert – ein fataler Fehler.

1865 von Karl Marx im Kapital

„So die Findung gesellschaftlicher Maße für die Quantität der nützlichen Dinge. Die Verschiedenheit der Warenmaße entspringt teils aus der verschiedenen Natur der zu messenden Gegenstände, teils aus Konvention.“ KM1,S.50

Unter Quantität wird im Allgemeinen „die Anzahl von Stoffen oder Objekten“ verstanden, z.B. die Anzahl 10 bei einer Menge von 10 Büchern. Die ´Quantität der nützlichen Dinge´ist dann die Anzahl der nützlichen Dinge. Das Maß ist eine Festlegung (Normierung) einer Eigenschaft. Das Längenmaß 1 Meter ist eine Festlegung (Normierung) der Eigenschaft ´räumliche Ausdehnung in einer Dimension´. Beim Nutzen gibt es kein Maß: entweder ein Gegenstand hat einen Nutzen oder hat keinen Nutzen. Beim Nutzen handelt es sich sozusagen um eine Boolsche Größe mit zwei Zuständen (aber ohne Maß).
Mit Warenmaß meint Marx die verschiedenen Mengenbezeichnungen, die sich meistens auf bestimmten Eigenschaften der jeweiligen Menge beziehen. Die Mengenangabe ´10 kg Kartoffeln´ bezieht sich auf das Gewicht dieser Menge; die Mengenangabe ´1 Liter Bier´ auf dessen Volumen.

„Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert.“ KM1,S.50

Da sich das Wort ´Gebrauchswert´ auf ´Dings´ bezieht, wird es hier für eine Sache oder einen Gegenstand verwendet, welches einen Gebrauchswert hat. Der Gebrauchswert ist aber eine Größe und kann deshalb kein Gegenstand sein.

„Aber diese Nützlichkeit schwebt nicht in der Luft. Durch die Eigenschaften des Warenkörpers bedingt, existiert sie nicht ohne denselben. Der Warenkörper selbst, wie Eisen, Weizen, Diamant usw., ist daher ein Gebrauchswert oder Gut. Bei Betrachtung der Gebrauchswerte wird stets ihre quantitative Bestimmtheit vorausgesetzt, wie Dutzend Uhren, Elle Leinwand, Tonne Eisen usw.“ KM1,S.50
„Der Warenkörper selbst, wie Eisen, Weizen, Diamant usw., ist daher ein Gebrauchswert (falsch, weil der Gebrauchswert eine Größe ist) eine reale Menge. Bei Betrachtung der Gebrauchswerte Warenmengen wird stets ihre quantitative Bestimmtheit vorausgesetzt, wie Dutzend Uhren, Elle Leinwand, Tonne Eisen usw.“

„Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums.“ KM1,S.50

Der Gebrauchswert ist eine Größe und nichts stoffliches.

„Für den einfachen Warenbesitzer ist der Gebrauchswert einer Ware unzertrennlich mit seinem Tauschwert verbunden.“ K Marx: Das Kapital, Bd1, S. 147

Kommentar: Das ist leider nur ein Schein-Zusammenhang, der sich bei genauerer Betrachtung als genauso gegenstandlos herausstellt, wie der scheinbare Umlauf der Sonne um die Erde. Gebrauchswert und Tauschwert sind zwei voneinander völlig unabhängige Größen! Die ökonomischen Eigenschaften einer Ware können zwar über diese beiden Größen beschrieben werden, aber sie sind genauso unabhängig voneinander wie Masse und Volumen. Was steckt hinter dieser Aussage von Marx? Das Wort Warenbesitzer impliziert, daß der Besitzer des Produktes P1 es gegen ein Produkt P2 tauschen möchte. A und B tauschen ihre Produkte aber nur gegeneinander, wenn die Gebrauchswertbedingungen erfüllt sind. Wenn der Gebrauchswert von Produkt P1 für B also größer ist als für A und der Gebrauchswert von Produkt P2 für A größer ist als für B, bekommen die Produkte P1 und P2 durch den Austausch auf einmal auch einen Tauschwert. Der Tauschwert von P1 ist der Produktwert von P21 = p2)und der Tauschwert von P2 ist der Produktwert von P12 = p1). Marx meint mit dieser Aussage also die Gebrauchswertbedingungen des Warentausches, trotzdem bleiben Gebrauchswert und Tauschwert voneinander unabhängige Größen.

„Der Gebrauchswert einer Ware ist die Voraussetzung ihres Tauschwerts und damit ihres Werts.“ KM: Das Kapital, Bd 3, S. 649

Kommentar: Die Gebrauchswertdifferenz und –inversion sind Bedingungen für den Austausch zweier Warenmengen. Nur wenn ein Produkt gegen ein anderes getauscht wird, tritt der Tauschwert in Erscheinung. Gebrauchswert und Tauschwert bleiben aber voneinander unabhängige Größen.

2014 Prof. Karmann (Prof. für Gesundheitsökonomie an der TU Dresden)

„Der Nutzen [eines Arzneimittels] wird in Geldeinheiten gemessen (= monetarisierter Nutzwert). Der Nutzen wird in abstrakten, künstlichen Einheiten gemessen, s.g. QUALYs.“ Vortrag von Prof. Karmann auf dem Interdisziplinären Symposium des Tumorzentrums Dresdens am 12.11.2014

Kommentar 1. Satz: Der Nutzen ist eine Eigenschaft und kann demzufolge keine (Geld)Menge sein. Der Nutzen [auch der eines Arzneimittels] kann am ehesten mit dem Gebrauchswert ausgedrückt werden. Kommentar des 2. Satzes: Es wäre zu untersuchen, ob hier Mengen- oder Größeneinheiten gemeint sind. Mengeneinheiten würden gegen das Prinzip der Inkomparabilität von Mengen und Eigenschaften verstoßen.

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